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Unternehmen wagen Investitionen im Irak

Trotz Terroranschlägen engagieren sich viele deutsche Mittelständler in dem Krisengeschüttelten Land.

Welt Am Sonntag von Wolfgang Pott

Artikel erschienen am 23. Januar 2005

Vom Kölner Stadtteil Sülz aus funktioniert die Hilfe für den Irak bestens. Dort hat die deutsch-irakische Mittelstandsvereinigung zwei Büroräume gemietet. Vier Mitarbeiter und der Präsident der Organisation, Gelan Khulusi, arbeiten auf knapp 100 Quadratmetern am Wiederaufbau des Landes von Euphrat und Tigris.

Vor wenigen Tagen fädelte er den ersten deutschen Biertransport in den Irak ein. Die Bitbur- ger-Gruppe, die Nummer zwei unter Deutschlands Bierkonzernen, braut jetzt auch für irakische Biertrinker. Genau 48 384 alkohol- haltige Halbliterdosen werden in einer ersten Lieferung in den Norden des Irak transportiert. Mit dem Schiff gelangen die Dosen in die türkische Hafenstadt Mersin, die inzwischen zum wichtigsten Umschlagplatz, zur Lebensader für den Irak und seine Wirtschaft geworden ist. Große Öltanker laufen dort ein und in Zukunft auch das Bier von Bitburger. Das wird dann von einer irakischen Spedition mit Lastwagen in den Norden des Irak gebracht.

Khulusi war bei diesem Geschäft wie immer als Vermittler tätig. Der 41jährige, Sohn einer deutschen Mutter und eines irakischen Vaters, der im Irak aufwuchs und in Deutschland studierte, hatte die Anfrage eines irakischen Importeurs auf dem Schreibtisch liegen und stellte den Kontakt zur Bitburger-Gruppe her.

"Der irakische Importeur will mit unseren Produkten Hotelgruppen im Norden des Landes beliefern", bestätigt Bitburger in einem Satz. Ansonsten gibt sich die Brauerei zugeknöpft. Denn das Bier wird wohl nicht nur im Norden des Landes verkauft, sondern auch in der Hauptstadt Bagdad, und wahrscheinlich werden nicht nur Iraker das Pils trinken, sondern auch US-Soldaten.

Genau diese Verbindung scheuen deutsche Firmen beim Aufbau wirtschaftlicher Kontakte mit dem Zweistromland am meisten. Alles, was in Zusammenhang mit den Vereinigten Staaten gebracht werden könnte, wird von den Irakern mißtrauisch beobachtet.

So ist die Deutsche Post sehr zurückhaltend, wenn es um ihre Aktivitäten im Irak geht. Deren Paket-Tochter DHL ist zuständig für die gesamte Feldpost zwischen den USA und deren im Irak stationierten Soldaten. Vor Weihnachten beförderte die DHL 75 Christbäume, Lichterketten und Weihnachtsschmuck vom New Yorker Flughafen John F. Kennedy nach Bagdad. Für die DHL war dies in den USA eine gelungene Maßnahme zur Imagepflege. Die Muttergesellschaft Deutsche Post dagegen hält sich in Deutschland mit solchen Ankündigungen zurück. Schließlich wird im Auftrag der US-Regierung gearbeitet.

"Die Deutschen sind Wunschpartner für die Iraker. Die haben Vertrauen in deutsche Technologie und schätzen die Deutschen als disziplinierte Geschäftsleute", sagt Reinhard Avemann. Er betreibt für die Deutsch-Arabische Industrie- und Handelskammer (DAIHK) ein Büro in der jordanischen Hauptstadt Amman. Drei irakische Mitarbeiter der Kammer sitzen in Bagdad, im alten Gebäude der deutschen Botschaft. Sechs deutsche Firmen betreut Avemann derzeit von Amman aus. Vor allem besorgt er für seine "Kunden" potentielle irakische Geschäftspartner. Die Unternehmen bezahlen dafür jeweils 6000 Euro für ein halbes Jahr. Gute Chancen haben laut Avemann vor allem Unternehmen aus den Branchen Energie, Bau, Wasser und Abwasser.

Auch Gelan Khulusi kann auf eine Reihe irakischer Geschäftsleute verweisen. Auf der Inter- netseite der Mittelstandsvereinigung (www.midan.de) hat er eine Liste erstellt mit 600 Firmen aus dem Irak, unterteilt nach Städten und Branchen. Telefonnummern und Ansprechpartner vermittelt Khulusi aber nur an seine Mitglieder. Diesen Service nutzen in Deutschland für einen Jahresbeitrag von 200 Euro 74 Firmen. Darunter ist der Stuttgarter Baukonzern Züblin, zumeist aber sind es Mittelständler wie der Abwasserexperte Membratec aus Erkrath, der Fliesenprofilhersteller Dural aus der Nähe von Montabaur, der Fruchtsafthändler ITT aus Bergheim oder der Gebläseproduzent RKR aus Rinteln in Niedersachsen. Zudem sind 350 irakische Unternehmen Mitglied in der Organisation.

Durch seine Kontakte in den Irak erhält Khulusi immer wieder internationale Ausschreibungen für Projekte, die er an seine deutschen Mitglieder weitergibt. Aktuell werden Firmen gesucht, die den Wiederaufbau des Flughafens in der Stadt Basra übernehmen. Ausgeschrieben sind außerdem die Lieferung von Ersatzteilen für Elektromaschinen und ein Projekt zur Sicherung einer amerikanischen Kaserne bei Bagdad.

Die Firma RKR (50 Mitarbeiter) ist auf solche Ausschreibungen nicht mehr angewiesen. Die Firma war bereits vor dem ersten Golfkrieg im Irak tätig und will ihre Aktivitäten jetzt wieder ausbauen. "Der Markt im Irak wächst, es gibt keinen Verdrängungswettbewerb wie in China, und deutsche Technologie besitzt dort einen hohen Stellenwert", sagt Geschäftsführer Thorsten Kettler.

Das finanzielle Risiko soll nach den Wahlen im Irak Ende Januar weiter vermindert werden. Dann ist nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) auch mit staatlichen Garantien, den sogenannten Hermes-Bürgschaften, zu rechnen. Diese sollen deutsche Exporte gegen wirtschaftliche und politische Risiken absichern. Mit den Hermes-Bürgschaften dürften auch die deutschen Exporte in den Irak weiter anziehen. Die lagen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2003 bei einem Wert von knapp 205 Millionen Euro. Allein von Januar bis Oktober des vergangenen Jahres waren es schon 294 Millionen Euro.

Trotz der unsicheren Lage im Irak werden immer mehr deutsche Unternehmen von selbst wieder aktiv. Siemens baut im Norden des Landes ein Mobilfunknetz auf und repariert Kraftwerke. Bayer liefert über Handelsvertretungen außerhalb des Irak Medikamente und Schädlingsbekämpfungsmittel ins Land. Dabei handelt es sich nach Angaben eines Unternehmenssprechers um einen jährlichen Umsatz im einstelligen Millionen-Bereich. Die von Bayer ausgegliederte Chemie-Tochter Lanxess ist zwar noch nicht im Irak tätig, stellt aber wie auch der Motorenbauer Deutz eine verstärkte Nachfrage von irakischen Geschäftsleuten nach deren Produkten fest.

Einen großen Auftrag hat zur Zeit die Utsch AG aus Siegen vor Augen. Der Weltmarktführer in der Herstellung von Kfz-Kennzeichen hat vor kurzem eine Niederlassung im Irak gegründet und sich gleich danach an einer besonderen Ausschreibung beteiligt. So soll das gesamte System zur Registrierung von Fahrzeugen neu aufgebaut werden. Dabei geht es um die Errichtung von Zulassungsstellen, um die Entwicklung einer Software zur Erfassung der Fahrzeuge und um den Bau von Maschinen zur Herstellung von Kennzeichen, Führerscheinen und Fahrzeugscheinen. Die Investitionssumme liegt bei zehn Millionen Euro.

"Wir rechnen uns gute Chancen aus, da schon seit 30 Jahren auf unseren Prägemaschinen irakische Kfz-Kennzeichen hergestellt werden", sagt Vorstandssprecher Helmut Jungbluth. In dieser Woche war eine irakische Delegation zu Besuch bei Utsch. Die Iraker werden sich dabei auch die deutschen Kennzeichen genau angeschaut haben. Denn die neuen irakischen Schilder sollen nach dem Wunsch der irakischen Regierung den deutschen Kennzeichen ähneln.

Artikel erschienen am 23. Januar 2005

   
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