Bagdad am Rhein
Entführungen und Anschlägen zum Trotz - der Mittelstand zeigt Interesse am Irakgeschäft
Der Wiederaufbau im Irak ist ein Millionengeschäft - und hochgefährlich. Das zeigt der Fall der entführten deutschen Ingenieure. Am Freitag (3.02.06) treffen sich irakische und deutsche Mittelständler in Köln, um gemeinsame Projekte zu planen.
"Wir unterstützen Firmen bei ihren Unternehmungen im Nordirak. Das können wir guten Gewissens tun", sagt Gelan Khulusi, Gründer von Midan e.V., der deutsch-irakischen Mittelstandsvereinigung und Initiator des Unternehmertreffens. Seit 40 Jahren lebt der irakischstämmige Bauunternehmer in Deutschland und pflegt die bilateralen Geschäftsbeziehungen. Er ist sicher, dass sich "Irakprojekte besonders für den deutschen Mittelstand lohnen." So kann sich der Verein trotz Entführungsfällen und Anschlagsserien vor Anfragen interessierter Unternehmer kaum retten. 30 pro Woche, manchmal auch pro Tag, sind normal. Das Sicherheitsrisiko schätzt Khulusi als relativ überschaubar ein. "Ich reise selbst alle zwei Monate geschäftlich in den Nordirak. Aber nie nach Bagdad und Umgebung. Davon rate ich ab." Dass Firmen ihre Mitarbeiter auch in die irakische Hauptstadt schicken, versteht er nicht.Nach Köln, der Sicherheit halber
- Deutsch-irakisches Wirtschaftstreffen
[WDR aktuell (03.02.06); 2'04] - Deutsch-Irakisches Unternehmertreffen
[WDR2 Morgenmagazin (03.02.06); 4'05]
Die Arbeitsstelle der beiden Ingenieure, die momentan im Irak entführt sind, war kaum 200 Kilometer von Bagdad entfernt. Jochen Clausnitzer, Nahost-Experte der deutschen Industrie- und Handelskammer warnt Geschäftsleute vor Reisen in dieses Gebiet: "Wir können Unternehmen natürlich nicht vorschreiben, was sie tun sollen. Aber wir schließen uns den Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes für den Irak an: Der Aufenthalt dort ist gefährlich." Auch deshalb kommen die irakischen Unternehmer nach Köln: In sicherer Umgebung wollen sie neue Geschäftsmodelle planen und persönliche Kontakte knüpfen.
Neue Geschäftsmodelle für deutsche Firmen
"Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muss der Berg eben nach Köln kommen", erklärt Khulusi. Über 500 Bewerbungen irakischer Firmen hat er bekommen. 100 von ihnen treffen sich am Freitag mit 30 deutschen Mittelständlern in Köln. Die sind vor allem an Partnerschaften mit irakischen Firmen interessiert, die auf deutsche Mitarbeiter vor Ort verzichten können. Bei einem gemeinsamen Bauvorhaben liegen dann zwar Konstruktion, Statik und Berechnung in deutscher Hand, die praktische Durchführung erledigen aber irakische Fachkräfte.
Neue Geschäftsmodelle für deutsche Firmen
Besonders viele Teilnehmer des Treffens kommen aus dem Gebäude- und Maschinenbau. Die Auftragslage für die Branche ist glänzend und mit ihrem Fachwissen haben deutsche Unternehmen beste Chancen sich gegen internationale Konkurrenten durchsetzen. Aber an den hochdotierten Ausschreibungen der Regierung dürfen sie sich nur mit irakischen Partnern beteiligen. Trotzdem hat Gelan Khulusi beobachtet, dass "Firmen zögern, einheimische Fachleute einzusetzen und lieber auf gute Geschäfte verzichten oder im Alleingang an den schlechten Standortbedingungen scheitern." Damit meint Khulusi nicht nur die prekäre Sicherheitslage, sondern auch die kulturellen Unterschiede und bürokratische Hürden. "Bestimmte deutsche Eigenheiten darf man von irakischen Mitarbeitern nicht erwarten. Strikte Pünktlichkeit zum Beispiel", lacht Khulusi und schaut auf die Uhr. Er wartet schon seit einer Stunde auf seinen irakischen Pressesprecher, "die Leute arbeiten aber nicht schlecht, nur anders. Das überfordert deutsche Unternehmer manchmal."
Auf dem Treffen können sich menschliche Beziehungen entwickeln. "Das schafft die nötige Vertrauensbasis für eine geschäftliche Partnerschaft", ist sich Khulusi sicher.