Gelan Khulusi ist Präsident der Deutsch-Irakischen Mittelstandsvereinigung in Köln.
Das Interview im Wortlaut:
Gabriele Heuser: Wie viele deutsche Firmen haben Interesse an Geschäften mit dem Irak und sind dort zurzeit auch engagiert? Gelan Khulusi: Wenn es Firmen im Irak gibt, dann sind das Firmen, die im Hintergrund arbeiten. Die meisten Firmen agieren dann über den deutschen Raum mit dem Irak, oder sie arbeiten mit lokalen Unternehmern zusammen.
Gabriele Heuser: Sie sagen jetzt, wenn es welche gibt - dass es welche gibt müssten Sie doch eigentlich wissen.
Gelan Khulusi: Es gibt welche, aber man kann sie an den Fingern einer Hand abzählen.
Gabriele Heuser:
Haben Sie denn den Eindruck, dass die Entführung der Deutschen, zuerst
die von Susanne Osthoff und dann die der jetzt freigekommenen
Ingenieure aus Sachsen das deutsche Interesse und Engagement im Irak
gebremst haben?
Gelan Khulusi: Ja, sehr
stark. Ich habe jetzt eben vor zehn Minuten eine Absage von einer
großen deutschen Brauerei bekommen, die im Irak tätig ist. Sie sollte
da repräsentative Maßnahmen oder Marketing-Maßnahmen ergreifen und sie
haben da momentan abgesagt - bis auf weiteres.
Gabriele Heuser:
Anfang kommender Woche beginnt ja in Amman die dritte große
Wiederaufbaumesse für den Irak. Wie groß, glauben Sie, ist denn die
deutsche Beteiligung? Gerade für den Maschinenbausektor müsste der Irak
doch sehr interessant sein.
Gelan Khulusi:
Für solche Messen, die außerhalb Iraks sind interessieren wir uns sehr
wenig, weil sie überhaupt kein Sinn haben. Diese Messen können mit
irakischer Beteiligung nur sehr schwer rechnen, weil die ganzen
Unternehmen, die staatlich strukturiert sind, an dieser Messe nicht
teilnehmen können. Also bleibt nur der normale Bürger, der an dieser
Messe teilnehmen kann - und der ist im Endeffekt nicht der
Entscheidungsträger. Für uns ist es interessant, innerhalb des
irakischen Marktes zu agieren und zwar durch lokale Unternehmen, die
einen direkten Zugang haben und nicht über Drittmänner.
Gabriele Heuser:
Können Sie denn, von der deutsch-irakischen Mittelstandsvereinigung
deutschen Unternehmen Hilfestellung leisten, im Irak Kontakte zu
knüpfen?
Gelan Khulusi: Wir haben vier
Niederlassungen im Irak, wir haben in Bagdad, in Erbil, Sulaymaniya und
in Kirkurk Niederlassungen, wo Iraker und deutsch-sprachige Personal
anwesend sind, die dann auf die Belange der deutschen Firmen vor Ort
reagieren. Wir sind gerade dabei, so eine Art von "German Pool" für
deutsche Firmen im Irak zu gründen.
Gabriele Heuser:
Wie müssen denn deutsche Firmen sich auf die Situation im Irak
einstellen? Was wird denn von ihnen verlangt, wenn sie die
Sicherheitslage im Auge behalten?
Gelan Khulusi:
Jedes Projekt hat ja zwei Phasen. Die erste Phase ist ja die
Bekanntmachung und die Teilnahme an den Ausschreibungen. Das können wir
hier vor Ort direkt durch unsere Büros organisieren. Die zweite Phase,
die das Exekutive ist - sei es, wo die Projekte aufgebaut werden
sollten, oder mit Beteiligung von deutschem Knowhow verwirklicht werden
- da könnte man immer ausweichen, indem wir Personal aus dem Irak
holen, die bei der deutschen Firma ein Praktikum absolvieren und dann
mit den Maschinen vor Ort vertraut sind.
Gabriele Heuser: Und sehen Sie, dass die Firmen sich darauf einstellen?
Gelan Khulusi:
Wir machen das zurzeit mit fünf oder sechs Firmen. Und da ist kein
Problem dabei. Es klappt hervorragend, auch ohne deutsche Beteiligung
vor Ort.
Gabriele Heuser: Was sind das für Firmen, aus welchem Bereich?
Gelan Khulusi: Maschinenanlagen, Maschinenbau und Genussmittel.
Gabriele Heuser:
Sehen Sie denn, dass das Interesse jetzt nachdem die Geiseln wieder
frei sind, vielleicht wieder zunehmen könnte oder glauben Sie, dass das
dauerhaft durch die Entführung eingetrübt ist.
Gelan Khulusi:
Das Interesse ist ja schon seit drei Jahren abgeschwächt. Durch die
Ereignisse im Irak haben deutsche Firmen ihr Interesse vernachlässigt.
Sie haben sich dann auf anderen Märkten organisiert. Nur das Problem
ist, die anderen sind ja da. Die Franzosen sind da, die Türken sind da,
die Italiener sind da - die arbeiten alle fleißig. Nur wir Deutschen
lassen uns von den negativen Nachrichten beeinflussen und suchen nicht
nach Alternativen.
Gabriele Heuser: Wie könnten die aussehen?
Gelan Khulusi:
Zum Beispiel mit uns zusammenzuarbeiten, weil wir am Ort, am Geschehen
sind. Denn das meiste, was die deutschen Firmen machen, ist: Sie
arbeiten über Drittmänner. Zum Beispiel über die Türkei, über Jordanien
oder über die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Vereinigten
Arabischen Emirate sind zu weit vom Irak entfernt. Sie können mit
Ministerien nur arbeiten, wenn sie eine Repräsentanz haben und diese
Repräsentanz muss aktiv vorgeladen werden und aktiv mit den
Ansprechpartnern zusammenkommen, damit auch die Probleme erörtert
werden. Nicht über Drittmänner, wie Amman oder Damaskus oder Kairo
sogar. Ich höre manchmal, dass da Kontakte in den Irak geknüpft werden
über Kairo. Da liegen mehr als 1000 Kilometer dazwischen. Wir können
auch nicht Geschäfte für Deutschland machen über Indien oder über
Moskau. Das ist unmöglich.
Gabriele Heuser: Können Sie den deutschen Partnern denn die Angst vor dem Sicherheitsrisiko nehmen?
Gelan Khulusi:
Ja. Wir unterteilen den Irak in zwei Sicherheitszonen. Die erste
Sicherheitszone ist der nördliche Teil, der kurdisch-kontrollierte
Teil, und die zweite Sicherheitszone ist der Rest des Iraks. Wir haben
die Erfahrung gemacht, dass in den letzten drei Jahren der nördliche
Teil, die kurdischen Gebieten, diese Sicherheitszone also die sicherste
von allen war. Ich kenne etliche deutsche Geschäftspartner, die in der
nächsten Woche herunterfahren werden. Wir planen sogar am Ende des
Monats auch eine Delegationsreise in diese Sicherheitszone zu
absolvieren.