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Interview, 03.05.2006, 12:25 Uhr Wie viele deutsche Unternehmen im Irak trotz des großen Sicherheitsrisikos tätig sind ist nicht bekannt, denn verständlicherweise sprechen die Firmen nicht gern darüber und es gibt auch keine Stelle, bei der sie sich melden müssten.
Gelan Khulusi ist Präsident der Deutsch-Irakischen Mittelstandsvereinigung in Köln.

Das Interview im Wortlaut:
Gabriele Heuser: Wie viele deutsche Firmen haben Interesse an Geschäften mit dem Irak und sind dort zurzeit auch engagiert? Gelan Khulusi: Wenn es Firmen im Irak gibt, dann sind das Firmen, die im Hintergrund arbeiten. Die meisten Firmen agieren dann über den deutschen Raum mit dem Irak, oder sie arbeiten mit lokalen Unternehmern zusammen.


Gabriele Heuser: Sie sagen jetzt, wenn es welche gibt - dass es welche gibt müssten Sie doch eigentlich wissen.


Gelan Khulusi: Es gibt welche, aber man kann sie an den Fingern einer Hand abzählen.


Gabriele Heuser: Haben Sie denn den Eindruck, dass die Entführung der Deutschen, zuerst die von Susanne Osthoff und dann die der jetzt freigekommenen Ingenieure aus Sachsen das deutsche Interesse und Engagement im Irak gebremst haben?


Gelan Khulusi: Ja, sehr stark. Ich habe jetzt eben vor zehn Minuten eine Absage von einer großen deutschen Brauerei bekommen, die im Irak tätig ist. Sie sollte da repräsentative Maßnahmen oder Marketing-Maßnahmen ergreifen und sie haben da momentan abgesagt - bis auf weiteres.


Gabriele Heuser: Anfang kommender Woche beginnt ja in Amman die dritte große Wiederaufbaumesse für den Irak. Wie groß, glauben Sie, ist denn die deutsche Beteiligung? Gerade für den Maschinenbausektor müsste der Irak doch sehr interessant sein.


Gelan Khulusi: Für solche Messen, die außerhalb Iraks sind interessieren wir uns sehr wenig, weil sie überhaupt kein Sinn haben. Diese Messen können mit irakischer Beteiligung nur sehr schwer rechnen, weil die ganzen Unternehmen, die staatlich strukturiert sind, an dieser Messe nicht teilnehmen können. Also bleibt nur der normale Bürger, der an dieser Messe teilnehmen kann - und der ist im Endeffekt nicht der Entscheidungsträger. Für uns ist es interessant, innerhalb des irakischen Marktes zu agieren und zwar durch lokale Unternehmen, die einen direkten Zugang haben und nicht über Drittmänner.


Gabriele Heuser: Können Sie denn, von der deutsch-irakischen Mittelstandsvereinigung deutschen Unternehmen Hilfestellung leisten, im Irak Kontakte zu knüpfen?


Gelan Khulusi: Wir haben vier Niederlassungen im Irak, wir haben in Bagdad, in Erbil, Sulaymaniya und in Kirkurk Niederlassungen, wo Iraker und deutsch-sprachige Personal anwesend sind, die dann auf die Belange der deutschen Firmen vor Ort reagieren. Wir sind gerade dabei, so eine Art von "German Pool" für deutsche Firmen im Irak zu gründen.


Gabriele Heuser: Wie müssen denn deutsche Firmen sich auf die Situation im Irak einstellen? Was wird denn von ihnen verlangt, wenn sie die Sicherheitslage im Auge behalten?


Gelan Khulusi: Jedes Projekt hat ja zwei Phasen. Die erste Phase ist ja die Bekanntmachung und die Teilnahme an den Ausschreibungen. Das können wir hier vor Ort direkt durch unsere Büros organisieren. Die zweite Phase, die das Exekutive ist  - sei es, wo die Projekte aufgebaut werden sollten, oder mit Beteiligung von deutschem Knowhow verwirklicht werden -  da könnte man immer ausweichen, indem wir Personal aus dem Irak holen, die bei der deutschen Firma ein Praktikum absolvieren und dann mit den Maschinen vor Ort vertraut sind.


Gabriele Heuser: Und sehen Sie, dass die Firmen sich darauf einstellen?


Gelan Khulusi: Wir machen das zurzeit mit fünf oder sechs Firmen. Und da ist kein Problem dabei. Es klappt hervorragend, auch ohne deutsche Beteiligung vor Ort.


Gabriele Heuser: Was sind das für Firmen, aus welchem Bereich?


Gelan Khulusi: Maschinenanlagen, Maschinenbau und Genussmittel.


Gabriele Heuser: Sehen Sie denn, dass das Interesse jetzt nachdem die Geiseln wieder frei sind, vielleicht wieder zunehmen könnte oder glauben Sie, dass das dauerhaft durch die Entführung eingetrübt ist.


Gelan Khulusi: Das Interesse ist ja schon seit drei Jahren abgeschwächt. Durch die Ereignisse im Irak haben deutsche Firmen ihr Interesse vernachlässigt. Sie haben sich dann auf anderen Märkten organisiert. Nur das Problem ist, die anderen sind ja da. Die Franzosen sind da, die Türken sind da, die Italiener sind da - die arbeiten alle fleißig. Nur wir Deutschen lassen uns von den negativen Nachrichten beeinflussen und suchen nicht nach Alternativen.


Gabriele Heuser: Wie könnten die aussehen?


Gelan Khulusi: Zum Beispiel mit uns zusammenzuarbeiten, weil wir am Ort, am Geschehen sind. Denn das meiste, was die deutschen Firmen machen, ist: Sie arbeiten über Drittmänner. Zum Beispiel über die Türkei, über Jordanien oder über die Vereinigten Arabischen Emirate. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind zu weit vom Irak entfernt. Sie können mit Ministerien nur arbeiten, wenn sie eine Repräsentanz haben und diese Repräsentanz muss aktiv vorgeladen werden und aktiv mit den Ansprechpartnern zusammenkommen, damit auch die Probleme erörtert werden. Nicht über Drittmänner, wie Amman oder Damaskus oder Kairo sogar. Ich höre manchmal, dass da Kontakte in den Irak geknüpft werden über Kairo. Da liegen mehr als 1000 Kilometer dazwischen. Wir können auch nicht Geschäfte für Deutschland machen über Indien oder über Moskau. Das ist unmöglich.


Gabriele Heuser: Können Sie den deutschen Partnern denn die Angst vor dem Sicherheitsrisiko nehmen?


Gelan Khulusi: Ja. Wir unterteilen den Irak in zwei Sicherheitszonen. Die erste Sicherheitszone ist der nördliche Teil, der kurdisch-kontrollierte Teil, und die zweite Sicherheitszone ist der Rest des Iraks. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in den letzten drei Jahren der nördliche Teil, die kurdischen Gebieten, diese Sicherheitszone also die sicherste von allen war. Ich kenne etliche deutsche Geschäftspartner, die in der nächsten Woche herunterfahren werden. Wir planen sogar am Ende des Monats auch eine Delegationsreise in diese Sicherheitszone zu absolvieren.

   
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