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Der Leipziger Monteur Rene B. hatte keine Angst, in den Irak zu fahren. Und seine Firma keine Skrupel, ihn an einen der gefährlichsten Orte der Welt zu schicken. Politiker und Experten kritisieren, dass Deutsche trotz Warnungen der Bundesregierung im Irak arbeiten. Die Firma selber schweigt dazu. Berlin - Vor seiner Reise in den Irak gab sich der Leipziger Monteur Rene B. selbstsicher. Samstag vor einer Woche rief er seinen Fußballtrainer Michael Herrn an und sagte ihm, dass er für seine Firma für ein paar Tage in den Irak müsste. Als sein Trainer ihn nach der Sicherheit in dem von Krieg und Terror zerrütteten Land fragte, wiegelte Rene B. ab. "Im Irak hat sich Rene immer sicher gefühlt, schließlich werden die Anlagen dort ja nach seinen Erzählungen sehr gut bewacht", erinnert sich der Fußball-Trainer an die Reaktion seines Spielers, den er für das kommende Spiel in der Stadtliga am Samstag fest eingeplant hatte.
Spätestens seit Dienstagmorgen ist klar, dass die Einschätzung falsch war. Zwar sind die genauen Umstände der Entführung auch am Mittwoch noch nicht klar, gleichwohl haben alle Maßnahmen zum Schutz der beiden Deutschen offenkundig versagt. Neben den intensiven Bemühungen zur Lösung des Geisel-Dramas im Irak entbrennt deshalb schon jetzt eine Diskussion über das Risiko, dass die sächsische Firma Cryotech mit der Entsendung der beiden Männer in das Krisengebiet einging. Im Zentrum steht eine Frage, die für die Wideraufbaubemühungen im Irak von entscheidender Bedeutung ist: Sollten westliche Mitarbeiter von Firmen überhaupt noch in den Irak fahren oder ist die Lage mittlerweile so gefährlich, dass dies nicht mehr zu verantworten ist?
Massiv kritisierte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, das Verhalten der Firma. Erler sagte dem MDR, das Amt habe ernste Reisewarnungen gegeben. "Es liegt eine hohe Verantwortung bei denen, die diese zwei Techniker da hingeschickt haben und sie ohne Schutz dort haben arbeiten lassen", sagte der SPD-Politiker und gab der Firma so indirekt eine Mitschuld an deren Schicksal. Gleichwohl betonte Erler, die Bundesregierung tue alles für die Befreiung. "Es ist eindeutig so, dass eine Hilfsverpflichtung des Staates besteht - unabhängig davon, ob eine Person Fehler gemacht oder sich leichtsinnig verhalten hat. Erst in zweiter Linie kann die Frage gestellt werden, was ist die eigene Mitverantwortung", so Erler.
Im Auswärtigen Amt gab man sich bedeckt zu dem Thema, da im Vordergrund die Befreiung der Geiseln stehe. Die Linie bleibt jedoch, dass das Amt alle Deutschen zur Ausreise aus dem Krisen-Land auffordert. Die Beamten dort halten es für verfrüht, die Firma aus Leipzig schon jetzt zu beschuldigen. Auch über den genauen Schutz, den die Firma für die beiden organisiert hätte, lägen noch keine gesicherten Erkenntnisse vor. Zudem ist bis jetzt fraglich, wie die beiden eigentlich entführt wurden. Am Dienstag hieß es von der irakischen Polizei, sie seien auf dem Weg zur Arbeit verschleppt worden. Am Mittwoch hingegen berichteten Nachrichtenagenturen, die Entführer seien auf das Wohngelände nahe der Ölanlage eingedrungen.
Unabhängig davon kritisierten Irak-Experten die Entsendung der Techniker. Die letzten Wochen hätten gezeigt, dass einige Leute unüberlegt in den Irak fahren würden und darauf hofften, "irgendwie durchzukommen", sagte Maxim Worcester, Geschäftsführer der Risiko-Managementberatung Control Risks SPIEGEL ONLINE. "Man muss im Vorfeld wissen, wo die Gefahr ist, um dieser aus dem Weg zu gehen", sagte Worcester. Er appellierte an Unternehmen, nur dann Mitarbeiter zu schicken, wenn sie die entsprechenden Schutzmaßnahmen gewährleisten können. "Alles andere ist unverantwortlich", sagte Worcester.
Control Risk ist eine der vielen Firmen im Sicherheitsbereich, die Westler im Irak schützen. Rund 400 Personenschützer hat das Unternehmen derzeit vor Ort, die unter anderem das diplomatische Personal Großbritanniens, Japans und der Niederlanden betreuen. Die Maßnahmen zum Schutz seien aufwändig und entsprechend teuer, sagt Worcester. Mindestens zwei gepanzerte Fahrzeuge und vier Begleitpersonen seien nötig. Außerdem müsse die Sicherheitslage vor jeder Bewegung analysiert werden.
Zweifel an der Irak-Mission der beiden Deutschen äußerte auch der Präsident der deutsch-irakischen Mittelstandsvereinigung. "Es drängt sich der Verdacht auf, dass die beiden Ingenieure nicht ausreichend geschützt wurden", sagte Gelan Khulusi SPIEGEL ONLINE. Die Gefahr im Irak sei aber viel zu hoch. Aus diesem Grund meidet Khulusi, selbst in Bagdad geboren, seit eineinhalb Jahren die irakische Hauptstadt, aber auch Mossul und Tikrit.
Der Irak-Kenner Rolfeckhard Giermann wies daraufhin, dass die beiden Mitarbeiter von ihrer Firma nicht versichert werden konnten und letztlich auf eigene Gefahr in den Irak reisten. "Für das Gebiet gibt es eine eindeutige Warnung des Außenamts und kein Versicherer erteilt dann eine Police", sagte Giermann. Folglich sei es "grob fahrlässig" gewesen, die beiden in den Irak zu schicken. Zudem betonte Giermann, dass das Gebiet um die Ölanlagen seit langem als extrem gefährlich galt. "Nur ein Blinder schickt seine Mitarbeiter, und dann noch zwei so junge Männer, in diese Region", so Giermann.
Die Firma selber äußerte sich am Mittwoch nicht zu den Vorwürfen. Statt einer angekündigten Pressekonferenz verteilte ein Mitarbeiter lediglich eine kurze Erklärung, in der die Firma ihr Mitgefühl für die beiden Männer ausdrückt. Weitere Details könne man aufgrund der laufenden Bemühungen nicht nennen, so die Erklärung. Die Frage, ob der Irak für Deutsche endgültig zur "no go"-Zone wird, ist damit nicht beantwortet.