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Kriegs- und embargobedingt befindet sich das irakische Gesundheitswesen nach wie vor in einem desolaten Zustand. Zwar kann eine medizinische Grundversorgung mittlerweile weitgehend sichergestellt werden, darüber hinaus sind jedoch kaum Möglichkeiten einer medizinischen Versorgung gegeben. Weder existiert ein funktionierendes Blutspendewesen, noch ein funktionstüchtiges Zentrallabor; es fehlt an medizi­nischen Geräten, Hilfsmitteln und einer kontinuierlichen Medikamentenversorgung, Forschung und Lehre waren jahrzehntelang von der Außenwelt abgeschnitten.

Hinzu kommen Schwierigkeiten bei der Wasserver- und Abwasserentsorgung sowie tägliche Engpässe in der Stromversorgung. Dem steht eine drastisch erhöhte Krebsrate - insbesondere ein dramatischer Anstieg kindlicher Leukämien - gegenüber.
Leukämie ist eine bösartige Erkrankung der Blutzellen bzw. des Knochenmarks, bei der es zu einer unge­hemmten Vermehrung von unreifen – und damit funktionslosen - weißen Blutkörperchen kommt. Dies führt zu einer Verdrängung der ausgereiften blutbildenden Zellen.

Im menschlichen Blut werden im wesentlichen drei Zellsysteme unterschieden:

  • rote Blutkörperchen (Erythrozyten): Hauptaufgabe: Sauerstofftransport
  • weiße Blutkörperchen (Leukozyten): Hauptaufgabe: Entzündungsbekämpfung;
  • Blutplättchen (Thrombozyten): Hauptaufgabe: Blutgerinnung; sie „verkleben“ miteinander und ver­schließen so verletzte Gefäße. Gibt es zu wenig Blutplättchen oder funktionieren diese nicht richtig, kommt es zu sog. Spontanblutungen (Blutungen, ohne äußeren Anlass), die infolge fehlender Funktionstüchtigkeit der Blutplättchen zum Verbluten führen können.

Die Diagnose der Leukämie erfolgt mithilfe eines Blutbildes (Untersuchung, bei der die Anteile der jewei­ligen Zellen im Blut in ihrer Menge bestimmt werden) sowie einer Knochenmarkbiopsie.

Bei der Knochenmarkbiopsie wird mittels einer Spezialnadel unter örtlicher Betäubung oder Vollnarkose Knochenmark aus dem Becken oder dem Brustbein entnommen und dann mikroskopisch auf die Blutzellzu­sammensetzung und vor allem den Anteil unreifer Zellen untersucht.

Die Erstellung eines Blutbildes ist – wenn auch manuell und unter Einschränkungen – im Nordirak möglich. Für eine Knochenmarkbiopsie fehlen in der Regel die benötigten Betäubungsmittel, das notwendige sterile Umfeld und die speziellen Punktionsnadeln.

Alle akuten Leukämieformen bedürfen einer sofortigen und intensiven Behandlung, die in dem kombinierten Einsatz zelltötender Medikamente, den sog. Zytostatika, besteht. Die Behandlung erfolgt in mehreren Zyklen nach sog. Behandlungsprotokollen. Von elementarer Bedeutung für den Therapieerfolg ist die unbedingte Einhaltung dieser Protokolle, d.h., dass die vorgesehenen Medikamentenkombinationen im entsprechenden Therapiezyklus gegeben werden. Fehlt auch nur eines der Medikamente ist die gesamte Behandlung obsolet.

Das Fehlen von Zytostatika ist im Irak alltäglich, was einer der Gründe für die geringe Heilungsquote von unter 10% ist.

Zytostatika hemmen das Tumorwachstum oder greifen die Zellen direkt an, wobei sie allerdings keinen Un­terschied machen, ob es sich um gesunde oder kranke Zellen handelt. Daher verursachen diese Medika­mente zwangsläufig akute Nebenwirkungen, wie z.B. Infektionsanfälligkeit, Haarausfall, Blutarmut. Auch können Spätfolgen an allen Organen (Herz, Nieren, Leber, …) auftreten. Ständige Kontrolluntersuchungen sind deshalb notwendig, um einerseits den Therapiefortschritt zu kontrollieren, und andererseits die Nebenwirkungen möglichst zu minimieren.

Diese Untersuchungen erfordern eine moderne labortechnische Einrichtung, die es im Irak nicht gibt. So erfolgt z.B. die Bestimmung der Zahl weißer Blutkörperchen i.d.R. per Handauszählung und wird mit „hoch“, „mittel“ oder „niedrig“ angegeben. Die Medikation gleicht daher einem „Blindflug“.

Eine der häufigsten Todesursachen irakischer Leukämiepatienten liegt in den Nebenwirkungen: hohe In­fektanfälligkeit sowie Blutungsneigung:

Sowohl die weißen Blutkörperchen (Aufgabe: Infektionsabwehr) als auch die Blutplättchen (Aufgabe: Blut­gerinnung) sind von der Erkrankung betroffen. Vor allem in der ersten Behandlungsphase werden sie nun zusätzlich durch Medikamente geschwächt. Folge ist, dass die Patienten praktisch keine Immunabwehr mehr besitzen und es zudem häufig zu Spontanblutungen kommt, die – mangels funktionstüchtiger Blut­plättchen – kaum zum Stillstand gebracht werden können.

Einer zerstörten Immunabwehr kann mit entsprechenden Medikamenten und ggf. einer sterilen Umgebung begegnet werden. Beides ist im Irak nicht vorhanden bzw. nicht möglich.

Blutungen können durch die Gabe von Blutplättchen, die die Gerinnung regulieren, bekämpft werden. Vor­aussetzung hierfür ist aber ein Blutspendewesen, das im Irak ebenfalls nicht existiert.

Bereits aus dieser kurzen Schilderung wird ersichtlich, dass die Behandlung der Leukämie ein umfang­reiches medizinisches Fachwissen, eine kontinuierliche Medikamentenversorgung und ein modernes Blut­spende- und Laborwesen erfordert.

Deshalb ist – neben der kontinuierlichen Medikamentenversorgung – Ziel unserer Arbeit die Errichtung eines Zentrallabors sowie der Aufbau einer Blutbank.

Von beiden Einrichtungen werden nicht nur die Leukämiepatienten, sondern alle Patienten der Region profi­tieren. Begleitend hierzu streben wir Austauschprogramme zwischen irakischen und deutschen Ärzten so­wie medizinischem Personal an, um durch „learning by doing“ den embargobedingten Wissensrückstand schnellstmöglich aufzuholen.

Vordringlich ist derzeit die Beschaffung eines Koagulometers, der dazu benötigt wird, Blutgerinnungsfak­toren zu bestimmen. Zudem sind finanzielle Mittel zum gezielten Kauf von Zytostatika sehr wichtig, damit die festgelegten Therapieprotokolle eingehalten werden können.

Wir freuen uns auf Ihre Unterstützung und beantworten Ihnen gerne weitere Fragen.