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DER SPIEGEL 7/2006 vom 13.02.2006, Seite 60

Autor: Mario Kaiser
Ortstermin: In Köln suchen irakische Unternehmer nach deutschen Partnern.

Ein kleiner Mann geht durch den Konferenzsaal, er macht schnelle Schritte, etwas scheint ihn zu treiben. Gelan Khulusi steuert auf das Podium zu, er trägt einen dunkelblauen Anzug mit champagnerfarbenem Einstecktuch, passend zu seiner Krawatte. Vor einer halben Stunde sollte er das "2. Deutsch-Irakische Unternehmertreffen" eröffnen, er ist zu spät im Land der Pünktlichkeit. Doch ihn verfolgt die Frage, ob es vielleicht noch zu früh ist.

icon 2006_02_11_rosp200600700600060.pdf (191.31 KB 21.06.2008 22:06)

Khulusi tritt an das Rednerpult und biegt das Mikrofon zu sich herunter. "Bevor ich beginne", sagt er, "möchte ich etwas in eigener Sache erklären. Wir verurteilen diese Entführung auf das Schärfste. Wir möchten bitten, dass die Angelegenheit schnell und schmerzlos für die Familien erledigt wird."

Er sagt "die Angelegenheit", das klingt nach einer Sache, die sich lösen lässt. Doch die Angelegenheit scheint unlösbar an diesem Morgen, unverdrängbar, und sie hätte diese Konferenz fast verhindert. Das Leben zweier deutscher Ingenieure ist in Gefahr, sie wurden entführt im Irak, dem Land, für das Khulusi hier werben will. Das letzte Bild, das man von den Deutschen sah, zeigte sie auf Knien vor vermummten Männern, die Schnellfeuerwaffen auf sie richten.

Sie sind verschwunden, doch man hat das Gefühl, sie säßen im Saal.

Noch hat die "Bild"-Zeitung auf ihrer Titelseite nicht die Frage gestellt, ob die Geiseln geköpft werden. Doch es hat seit ihrer Entführung kein Zeichen der Hoffnung gegeben. Und jetzt will Khulusi deutsche Geschäftsleute einladen, in den Irak zu kommen.

Im Saal "Hohenzollern" des Crowne Plaza Hotels in Köln sitzen 120 irakische und zwei Dutzend deutsche Unternehmer, Khulusi hat sie zusammengeführt, um Geschäfte zu machen. Es riecht nach Rasierwasser, auf den Tischen liegen Notizblöcke und Kugelschreiber, in der Kabine neben dem Podium schnattern die Simultanübersetzer. Khulusi blickt in den Saal und räuspert sich. "Ich weiß, der Irak ist momentan heikel", sagt er, "aber wir wollen diesen wirtschaftlichen Raum nicht anderen überlassen." Es klingt wie ein Memo von Dick Cheney an seine Generäle.

Es kommt jetzt auf Sprache an, auf Präsentation. Khulusi weiß, dass er im Moment keinem deutschen Unternehmer empfehlen kann, in den Irak zu reisen. Er tut das auch nicht. Er hat das Land in zwei Hälften geteilt, in eine sichere und eine gefährliche, in Kurdistan und den Rest. In dem Irak, von dem Khulusi spricht, gibt es keine Selbstmordattentate und keine Entführungen. Es gibt nur Kurdistan, ein Land, das deutsche Geschäftsleute mit offenen Armen empfängt.

Aus Khulusis Sicht ist der Irak ein Konzern, für den die Mitte und der Süden das sind, was für DaimlerChrysler der Smart ist und für Siemens die Handy-Sparte. Khulusi tat, was jeder Unternehmer tun würde, dem der Gewinn am Herzen liegt. Er hat sich von den unproduktiven Sparten getrennt.

Kurdistan ist jetzt sein Kerngeschäft, eine Marke, die es zu positionieren gilt. Ein Mann von einer deutschen Sicherheitsfirma betritt das Podium, er trägt einen Rollkragenpullover, auf dem der Name seiner Firma steht, als wäre er zu Gast im "Aktuellen Sportstudio". "Also", sagt der Mann, "zum Thema Sicherheit kann ich einfach nur sagen, dass der Norden vom Irak doch relativ sicher ist."

Wen das nicht überzeugt, für den hat Herr Osman, der stellvertretende Gouverneur von Erbil, ein Video mitgebracht, das die schönsten Seiten Kurdistans zeigt. Er verliest dazu einen Zehn-Punkte-Plan. "Sechstens: Wir haben fast immer frische Luft."

Khulusi hat diese Konferenz schon einmal absagen müssen. Sie sollte vergangenen Dezember zusammen mit einem Kulturfestival stattfinden, das den Titel "Bagdad am Rhein" trug. Dann wurde Ende November Susanne Osthoff entführt. Als die beiden Ingenieure aus Sachsen verschleppt wurden, überlegte Khulusi kurz, ob er die Konferenz wieder absagen sollte, und entschied sich dagegen. "Sie sind entgegen der Warnungen des Auswärtigen Amtes gefahren, sie wussten, was auf sie zukommt", sagt er. "Warum sollten wir für sie büßen?"

Der Reporter vom "Kölner Stadt-Anzeiger" macht ein betroffenes Gesicht und hebt den Kugelschreiber. "Gestatten Sie mir eine persönliche Frage", sagt er. "Sind Sie sauer auf die Terroristen?"

"Ja", sagt Khulusi, "das ist eine Unverschämtheit."

Das klingt, als wäre alles nur eine Frage der Umgangsformen. Doch bevor der Reporter fragen kann, ob ein Benimmkurs für Terroristen die Lösung sein könnte, ist Khulusi schon weiter. Es ist schwer, ein Gespräch mit ihm zu führen. Ständig unterbricht ihn jemand, fasst ihn am Arm, flüstert ihm etwas ins Ohr. Khulusi ist so etwas wie der Pate der deutsch-kurdischen Wirtschaftsbeziehungen, er entscheidet über die Vergabe millionenschwerer Verträge. Er ist so klein, dass er den Männern kaum bis zur Brust reicht. Wenn sie mit ihm reden, sieht es aus, als würden sie sich vor ihm verbeugen.

In der Mittagspause sinken auf dem Flur vor dem Executive Boardroom einige Iraker auf die Knie und beten. Vor ihnen, in Richtung Mekka, liegt der Konferenzsaal "Habsburg", auf dessen Türen, wie eine Sure der Marktwirtschaft, der Werbespruch des Hotels steht: "Meeting Success".

Im Executive Boardroom verkündet Gelan Khulusi jetzt, dass er für die kurdische Autonomieregierung einen Auftrag für den Bau von 25 000 Wohneinheiten vergeben soll. Es geht um eine Milliarde Euro.

"Wie ist das mit dem Vollwärmeschutz?", fragt einer der Deutschen.

"Wie bitte?", sagt die Übersetzerin.

MARIO KAISER

DER SPIEGEL 7/2006
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