Noch immer scheuen deutsche Unternehmen vor Geschäften mit dem Irak zurück.
Unbegründet, meint Gelan Khulusi, Präsident von MIDAN Deutsch-irakische
Mittelstandsvereinigung e.V., mit dem die ReÂdaktion das folgende Interview führte
Dorothea Khulusi, Rechtsanwältin, Sachwalterin der MIDAN tangierenden internationalen Gesetzlichkeiten und Vertragsjuristik und Gelan Khulusi, Präsident, Geschäftsführer, engagierter Schnitzer arabischer Ornamente und Sammler von Spruchweisheiten | ||
Mitteldeutsche Wirtschaft: Herr Khulusi, Sie haben seit 2007 mit der Deutsch-irakischen Mittelstandsvereinigung Ihren Sitz in Naumburg, und wir möchten gern diese Gelegenheit wahrnehmen, Sie unseren Lesern näher zu bringen. Erklären Sie zunächst bitte, was unter MIDAN zu verstehen ist. G. Khulusi: MIDAN heißt aus dem Arabischen übersetzt Ort des Austausches, ein Ort, wo man kommuniziert, sich informiert, Kontakte knüpft, in unserem Fall Geschäftspartner findet und damit in der Lage ist, ganze Netzwerke im unternehmerischen Sinn aufzubauen. Darüber hinaus bietet MIDAN als |
Verein auch eine rein individuelle Mitgliedschaft für Menschen an, die an Projekten der Kultur, Bildung und Gesundheit mitarbeiten möchten. Mitteldeutsche Wirtschaft: Wie und wo kam es zur Gründung von MIDAN? G. Khulusi: 2003 in Köln. Das heißt, nach dem Sturz Saddam Husseins waren die Wege frei, Kontakte ins Ausland zu knüpfen und das Unternehmertum auf eigene Füße zu stellen. Ich hatte in Köln Betriebswirtschaft studiert mit den Schwerpunkten Außenwirtschaft, Marketing und Markteinfuhrungsstrategi- |
|
en deutscher Unternehmer in den Nahen Osten. Man suchte für die Vereinigung einen Präsidenten, ich stellte mich der Kandidatur und wurde kürzlich wieder gewählt. Es ist ein Ehrenamt für drei Jahre und wird von einem Vorstand unterstützt. Mitteldeutsche Wirtschaft: Aber was bewog Sie, Köln und den Rhein gegen die Saale und Naumburg einzutauschen? G. Khulusi: Unsere 13-jährige Tochter. Ihr gefiel das Kölner Gymnasium, das sie besuchte, nicht mehr und fand im Internet Schulpforta. Sie bestand die Aufnahmeprüfung, zog ins Internat und ist glücklich, weil Schulpforta auch ein bisschen Harry-Porter-Aura hat. Das Hin und Her zwischen Köln und dem Gymnasium beendeten wir mit unserem Umzug nach Naumburg und bereuen diese Entscheidung keine Sekunde. Vom hiesigen Wirtschaftsamt |
bekamen wir jede Unterstützung und die Menschen sind überaus freundlich. Mitteldeutsche Wirtschaft: Was macht für MIDAN nun den Unterschied aus? G. Khulusi: Wenn ich ehrlich sein darf: Keinen. Deshalb ist es auch gleich, ob ich von Köln oder von Naumburg aus Kontakte herstelle, denn im Irak sind türkische, italienische, französische und tschechische Unternehmen tätig - die deutschen Mittelständler kann ich an zwei Händen abzählen. Sie warten, ohne Logistik, ohne Kenntnis, unternehmen kaum etwas in diese Richtung. Mitteldeutsche Wirtschaft: Können sie im Irak kein Geld verdienen? G. Khulusi: Im Gegenteil, nach den Kriegen mit seinen Zerstörungen, nach 30 Jahren Embargo, fangen wir praktisch bei Null an, so dass sich eigentlich für alle Branchen ein großes Geschäftsfeld auftut. Aber speziell in Deutschland treffe ich immer wieder auf Unkenntnis über mein Land, geboren aus überwiegend einseitiger Information mit der Vorstellung: Irak, das ist Chaos und Massaker. Aber 2006 war ich von irakischer Seite beauftragt worden, in Deutschland einen Auftrag über ein Wohnungsbauvorhaben im Wert von einer Milliarde Euro zu vermitteln. Anderes Beispiel. Während wir hier sprechen, sitzt im Nebenzimmer eine Delegation des irakischen 01-ministeriums, Abteilung Northoil Company. Alles Diplomingenieure vom nordirakischen Ãlfeld Kirkuk, die vor wenigen Tagen in Brühl bei Köln eine Schulung über Sicherheitsanlagen durchliefen, die in Brühl hergestellt und von meiner Firma kitgroup, Oil und Project Consulting, geliefert wurden. Für ■ diese Anlage liegt mir jetzt ein Nachfolgeauftrag' über zehn Millionen Euro vor. Noch ein Beispiel: Im Moment befindet sich Labortechnik im Wert von einer viertel Million Euro auf dem Flug nach Irak, Technik der Firma Analytik Jena. Und schließlich: Als sich niemand fand, Bitburger Bier nach dem Irak zu bringen, sprang meine Firma zur Einführung neuer Produkte auf dem Markt ein. Monatlich gehen nun zwei, drei Kühl-Container auf die Reise. Ich habe die Vertretung von Bitburg für den Nahen Osten und suche Investoren für den Bau einer Bitburg-Brauerei im Irak. Alles Geschäfte, die auch ein deutsches Un- |
ternehmen hätte abwickeln können - aber man scheut das Risiko. Mitteldeutsche Wirtschaft: Ist keines vorhanden? G. Khulusi: Das ist differenziert zu sehen, der Nordirak besitzt nur noch eine geringe Gefährdung, der ist weitgehend unter kurdischer Kontrolle. Aber das ist nicht der Punkt. Wenn ein deutscher Unternehmer von der Exporttauglichkeit seines Produktes überzeugt ist - irakische Firmen möchten stets das Beste -. braucht er eine Markteintrittsstrategie für den Irak. Und er muss wissen, was er will: eine Niederlassung, eine Vertretung, eine Franchise-Vergabe oder einen Partner. Ist dieser Unternehmer Mitglied von MI-DAN - wir haben etwa 4000 eingetragene Mitglieder im Irak und in Deutschland, aber über 11 000 vertreten wir dank unserer Kontakte zu den diversen Wirtschaftsverbänden, treten wir ab diesem Zeitpunkt in Erscheinung und beraten ihn. Ihm steht es frei, sich vor Ort im Irak oder hier in Deutschland einen Eindruck zu verschaffen. Damit wird ein anderes Risiko vermieden: Dass Geld in den Sand gesetzt wird. MIDAN besitzt im Irak sechs Niederlassungen, in Bagdad, Arbil, Mo-sul, Kirkuk, Dohuk und Sulaima-niyya mit rund 8,5 Millionen Einwohnern. Dort prüft man das deutsche Produkt zusammen mit den ansässigen Kaufleuten und Firmen, und es gibt ein entsprechendes Feedback. Voraussetzung jeder Zusammenarbeit ist, dass sämtliche Mitglieder von MIDAN über 51 Prozent der Firmenanteile verfügen und also auch entscheiden können. Dies ist ein Aufnahmekriterium für uns, weil ich strikt das Prinzip vertrete: Business to Business. Mitteldeutsche Wirtschaft: Haben Sie für 2009 etwas in petto, um da und dort ein Licht aufgehen zu lassen? G. Khulusi: Abgesehen davon, dass wir' auch 2009 monatlich wieder etwa 30, 40 irakische Unternehmen zu deutschen Branchenmessen einladen und bei der Visa-Beschaffung behilflich sind, wird es bei uns einen Tag der offenen Tür für die Wirtschaft geben, ferner eine große deutsch-irakische Wirtschaftskonferenz im Burgenlandkreis und ich denke auch daran, den Gedanken einer Kulturveranstaltung wieder aufzunehmen, der in Köln unter dem Motto stand âBagdad am Rhein". Warum nicht âBagdad an der Saale"? G. L. ■ |