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Aus der Finacial Times Deutschland vom 15.4.2004

Von Silke Mertins, Bagdad

Die Druckwelle der Explosion vor dem Mount Lebanon Hotel im Zentrum Bagdads hat Gelan Khulusis Büro in einen Trümmerhaufen verwandelt. Die Gardi­nen, die er kurz zuvor noch aufgehängt hatte, verhinderten immerhin, dass ihm die Glasscherben um die Ohren flogen. Doch weder der Anschlag im vergangenen Monat noch die jüngsten Unruhen konnten den Geschäftsmann aus Köln davon abhalten, mit seiner Frau, dem elfjäh­rigen Sohn und der zwölfjährigen Tochter zwei Wochen später erneut in sein Heimatland Irak aufzubrechen.
INFOBRIEF Bagdad möchte der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung Midan mit Geschäftspartnern in den kommenden Tagen eine deutsch-irakische Handelskammer gründen. Die Unterzeichnung der Unterlagen sei bisher nur daran gescheitert, dass einer der Mitbegründer wegen der Kämpfe zwischen Aufständischen und US-Truppen in der jordanischen Hauptstadt Amman festsitze, sagt er. Die Kammer soll in Deutschland durch Midan vertreten werden.

„Die Geschäfte sind beim Mittel­stand bereits voll im Gang", sagt Khulusi. „Wir brauchen jetzt drin­gend eine Lobby in Irak." Warteten deutsche Unternehmen, bis die Wirt­schaftsverbände aktiv werden, würden Chancen vertan. „Wenn man jetzt hier investiert, hat man den Betrag in sechs Monaten verdoppelt", ist er überzeugt. Deutsche Firmen könnten sich von irakischen Partnern vertreten lassen. „Wo ich auch hinkomme, werde ich gefragt: Wo sind denn die Deutschen, und wieso werden die hier von niemandem vertreten?"

Neben dem Geschäft mit der Sicherheit boome derzeit vor allem die Baubranche. „Im Augenblick braucht man für nichts eine Genehmigung, deshalb wird an jeder Ecke gebaut." Gerade erst habe er den Verkauf einer gebrauchten Ziegelei aus Deutschland eingefädelt, erzählt Khulusi. Einem Elektrizitätswerk besorgte er ein fehlendes Ersatzteil, ohne das die gesamte Produktion stillstand. „Die wissen einfach nicht, an wen sie sich wenden sollen."

„In Irak steht eine Kompletter­neuerung bevor", prophezeit Thamir al-Sheikhly, Investmentbanker und Vorsitzender der Irakischen Vereini­gung der Geschäftsleute. Er wird im Vorstand der neuen deutsch-irakischen Handelskammer sitzen. „Wie enorm die Chancen sind, zeigen die langen LKW-SCHLANGEN an den Grenzen", sagt er. Die Nachfrage nach Gütern aller Art sei riesig. Ein großer Teil der staatlichen Investitionen sei unter dem alten Regime in die Ausrüstung des Militärs  geflossen. Wenn  nur ein Bruchteil dieser Summe zivilen Zwecken zugute käme, werde die Wirtschaft wachsen. Die Sicherheitslage und die derzeitigen Unruhen sind für al-Sheikhly kein grundsätzliches Problem. „Das ist ein temporärer Faktor und wird die Geschäfte nur kurzfristig stören."

Der ägyptische Unternehmer Hady al-Mezlawy setzt vor allem auf den wirtschaftspolitischen System Wechsel. „In den vergangenen 35 Jahren wurde Irak planwirtschaftlich regiert", sagt er, „die freie Marktwirt­schaft ist erst ein Jahr alt." Er fahndet in Bagdad nach einem Geldinstitut, das er kaufen kann. „Der Bankensektor fängt bei null an - so eine Situation gibt es nie wieder." Irak sei reich, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit seien auf den Weg gebracht. „Man sollte in schlechten Zeiten investieren, nicht in guten, wenn alle es tun." Solche Investoren sieht John Daiza gern. Der aus Irak stammende Amerikaner arbeitet als Wirtschaftsberater für die US-Zivilverwaltung. „Zu Geld sagt man nie Nein", meint er. Irak habe wegen des Reichtums an Rohstoffen und der Vielzahl an gut ausgebildeten Leuten die besten Voraussetzungen für einen Aufschwung. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine enorme Entwicklung erleben werden " " In diesem Jahr rechnet er mit 25 Prozent Wachstum, im nächsten sogar mit 40 bis 50 Prozent. „Es kann nur aufwärts gehen." Diese Aussicht reizt auch den bayerischen Geschäftsmann Thomas von Skwarczinsky. Für die inzwischen verschobene Handelsmesse in Bagdad hatte er extra Prospekte dru­cken lassen. Er will mit seiner Firma TVS in Bagdad ein Büro eröffnen, um Vermarktung und Beratung anzubieten. „Meine Devise ist: Sei freundlich zu den Leuten, dann sind sie auch

freundlich zu dir." Inzwischen könnte das in Irak aber längst nicht mehr reichen. Khulusi, mit dem von Skwarczinsky zusammen angereist ist, hat ihn erst einmal unter „Hausarrest" gestellt. „Der ist blond, der fällt zu sehr auf."